Tag 3: Das Killer Gurken Bier

Eine "Frankensteingensie" im Glas - das Killer Cucumber Ale im Steamworks.


"Micro-Breweries", also Kleinst-Brauereien zu besuchen, ist seit jeher eine Leidenschaft von mir. So stolpert man in Gastown, jenem viktorianisch anmutenden Viertel gleich unter dem Vancouver Lookout Tower, sogleich in das legendäre "Steamworks". Eingebettet in das alte Ziegelgebäude der Brauerei, gibt es grob gefügte Eichentische und hübsche Bedienungen schwirren in karierten Schottenröckchen, gestärkten Blusen und Funkknöpfen im Ohr umher, um dem Ansturm der Touristen Herr zu werden. In solchen Läden empfiehlt es sich, zunächst nassforsch an die Theke zu stürmen (da braucht es nie eine Reservierung). Meist kann man dort - ohne lange den "Wait to be seated" Irrsinn mitzumachen - auch eine Kleinigkeit essen. Wichtig sind aber die Biere. Und das widerlichste, was ich nach einer fast ähnlich grauenhaften Erfahrung in Neuseeland, getrunken habe, war das "Killer Cucumber Ale". Ja, richtig, die Übersetzung heißt frei "Mörder Gurken Bräu". Und ein Blog Artikel über Bier muss bei jeder Reise sein.


Wenn man solch einen Namen für ein Bier auf der Karte liest, wird man natürlich neugierig...
Dem wohl vom Wahnsinn umnebelten Gehirn des kanadischen Braumeisters entsprang eine Kreation, die durchaus als "Frankensteingensie" der Braukultur bezeichnet werden kann. Oft neigen die Biere in den Micro-Breweries zur brutalen Überhopfung, die der erfahrenen Biertrinker durch rasches Stürzen gleich mehrerer Pints oder dem blitzartigen Wechsel zu einem neutralisierenden Lager oder Pilsener entgegenwirken kann. Früchtearomen über Erd- oder Himbeeren, Grapefruit bis hin zu Schokoladen- oder Vanillearomen haben uns ja bereits die Belgier eingebrockt und erfreuen sich leider auch bei den Angelsachsen stets wachsender Beliebtheit. Eine Unart, der man sich nur schwer erwehren kann und die bisweilen in den säuerlichsten Hefeweizen-Kreationen gipfelt, die man sich vorstellen kann.
Nun aber das Gurken-Bier. Von der Erscheinung her kommt es etwas blässlich bernsteinfarben daher. Geradezu unverdächtig, mit dem für englische Biere eher spärlichem Schaum. Dann aber das Aroma! Ein unverwechselbarer Gurkenduft wabert aus dem Pintglas (6,50 kanadischische Dollar, ca. 4,30 € ) und beschwört einen bezaubernden Würgereiz herauf. Es ist aber nicht jener beißende Essiggeruch Spreewälder Gewürzgurken, sondern eher die Note eines dänischen Gurkensalates, also der frische Duft geschälter Schlangengurken,der einen anfällt.
Der erste Schluck rundet das Grauen ab. Gurkig mit einer Note Spülwasser im Abgang kommt der Tag an den Abend. Man muss es sich wirklich so vorstellen, als ob man eine Schlangengurke schält, auspresst und das so entstandene Gurkenwasser mit einer einem guten Fläschchen Felskrone oder Maternus "veredelt".
Beschämt muss ich muss das Glas absetzen, was weiß Gott nicht oft vorkommt. Gleichzeitig beäugt mich Beifall heischend auch noch die einfältige Kellnerin. Wohl gewohnt von den den zahlreichen asiatischen, Gästen, die mit eisernem Lächeln schon aus Höflichkeit zu allem "good, good, veeeerrry good" sagen und mit stoischer Gelassenheit alles in sich hinein schütten.
Ich bleibe bei der Wahrheit: "It's the most awful kind of beer, I've ever tasted...", raune ich der Kellnerin zu, während ich das Glas von mir schiebe. Was die Lady etwas entsetzt.
Im Augenwinkel beobachte ich einen finnischen und australischen Kellner, die feixend ihre Daumen heben und mich für meine Meinung beglückwünschen. Der Finne kommt sogar rüber, meint, dass ich die Plörre nicht zu bezahlen brauche. Wobei ein wissendes Lächeln über sein Gesicht huscht.

Als Entschädigung empfiehlt er mir ein "Coalsch" (ausgesprochen Kooalsch) - das würde nun wirklich wie in Deutschland schmecken. Gemeint war ein Kölsch und die Gläser sind in der Tat korrekt (was es dann aber auch war). Die deutsche Currywurst, die ich im Anschluss mit einem wirklich guten Hoyne Pilsner verzehre, enttäuscht leider ebenfalls, da die verwendete Wurst eine 1a Kohlwurst ist. Wer hat das je versucht: Eine Currywurst aus Kohlwurst zu machen... Dafür sind die Pommes ein wahres Gedicht.
Kanada kann also ganz ähnlich wie Neuseeland ein wahres Abenteuer für den Gaumen sein. Den Kanadiern zur Ehre gesagt sei, dass wir hier seit langem die besten Steaks überhaupt gegessen haben.